Der Streit von WDC und WDSF
In der Welt des Ballroom-Turniertanzens gibt es zwei Hauptorganisationen, die alle großen Wettbewerbe der Welt durchführen: WDC und WDSF. Früher arbeiteten diese Organisationen zusammen, kommen aber zurzeit nicht miteinander aus, was große Probleme für Tänzer/innen, Richter und die gesamte Tanzgemeinschaft bedeutet.
Der Anfang
Ballroom-Dance-Wettbewerbe gibt es seit über 100 Jahren. 1950 kam eine Gruppe von Tänzer/innen zusammen, um einen Weg zu finden, eine Weltmeisterschaft zu organisieren. Dazu gründete diese Gruppe den Vor-Vorgänger des World Dance Council (WDC), den International Council of Ballroom Dancing (ICBD).
Ab 1957 wurde zwischen professionellen Tänzern (Tanzlehrern) und Amateurtänzern unterschieden, weshalb der Internationale Rat der Amateurtänzer (International Council of Amateur Dancers – ICAD) gegründet wurde. Diese Organisation sollte alle Wettbewerbe für Amateurtänzer durchführen, während der WDC alle Profiwettkämpfe bestreiten würde. Im Jahr 1990 wurde die ICAD in International DanceSport Federation (IDSF) umbenannt, Jahr 2011 sollte sie zu dem werden, was wir heute als World DanceSport Federation (WDSF) kennen.
Diese beiden Organisationen entwickelten sich innerhalb ihrer eigenen Fachgebiete, die WDSF nur für Amateure und der WDC nur für Profis. Dies war eine für beide Seiten vorteilhafte Vereinbarung, und alle waren glücklich, bis...
Das große Schisma
Am 4. September 1997 wurde die WDSF (damals noch IDSF) vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt und erklärte sich bereit, sich den IOC-Regeln zu unterwerfen (was u. a. Dopingkontrollen für die Athleten bedeutet) und ein objektiveres Bewertungssystem zu entwickeln. Aufgrund dieser Anerkennung dürfen, sollte Ballroom Dancing jemals an den Olympischen Spielen ausgetragen werden, nur Tänzer/innen der WDSF teilnehmen.
Als Reaktion auf diese Deklassierung und die Einführung einer eigenen Profi-Abteilung seitens WDSF (WDSF PD) im Jahre 2006/2007 eröffnete der WDC 2007 eine eigene Amateurliga (WDC AL). Da alle Profis im WDC organisiert waren, konnten viele Amateure für seine Wettbewerbe gewonnen werden – auch in der Hoffnung, die WDSF aus dem Feld zu drängen. Seither kämpfen beide Organisationen um einen möglichst großen Anteil am gleichen Pool von Tänzerinnen und Tänzern.
Das Ergebnis
Beide Organisationen gerieten dermaßen in Streit, dass sie Tänzer/innen dafür bestraf(t)en, wenn sie die andere Organisation unterstützten – ähnlich wie wütende geschiedene Eltern ihre Kinder benutzen könnten, um sich gegenseitig zu treffen. Bis zum Jahr 2012 war es WDSF-Sportlern beispielsweise untersagt, an WDC-Wettbewerben (einschließlich Traditionsturniere wie das Blackpool Dance Festival) teilzunehmen. In Amerika ist es den Richtern der WDC-Mitgliedsorganisation (der NDCA) verboten, an Wettbewerben der WDSF-Mitgliedsorganisation zu werten, unter Androhung, dass ihre NDCA-Wertungsrichterlizenz widerrufen wird. Die Situation ist momentan für Tänzerinnen und Tänzer eigentlich untragbar – aufgrund der hinterlegten Politik kann die Fehde allerdings noch lange andauern. Viele sind mit der Situation unzufrieden, aber nur wenige haben die Macht, etwas daran zu ändern.
Die Spaltung hatte ein weiteres unerwartetes Ergebnis: Die WDSF hat ihren eigenen Tanzstil entwickelt. Während der WDC »konservativer« bleibt, vor allem im Standard, hat die WDSF begonnen, athletische und extreme Performances zu bevorzugen, und tanzt normalerweise zu etwas schnellerer Musik. Den Unterschied in den Stilen kann jeder für sich entdecken:
WDSF-Weltmeister · Quickstep · 2013: ↗ Auf YouTube ansehen
WDC-Weltmeister · Quickstep · 2013: ↗ Auf YouTube ansehen
Während WDSF-Enthusiasten sagen, dass dies die natürliche Evolution des Tanzes sei und sich Tanzen von Anfang an in diese Richtung entwickelt habe, sagen WDC-Anhänger, die WDSF sei zu weit gegangen: Sie hat den künstlerischen Aspekt des Tanzes verloren, um daraus eine olympische Sportart zu machen.
Übersetzt von http://www.ballroomguide.com/resources/blog/2016_04_04_WDC_WDSF.html
Situation in der Schweiz
In der Schweiz wird die Turnierszene vom STSV, dem nationalen WDSF-Verband, dominiert. Zwar existiert ein Nationalverband des WDC, der SDSC, allerdings ist dieser sehr klein und faktisch inaktiv. Beide Verbände verfolgen seit 2013 ein Zusammenarbeitskonzept, das den Tänzerinnen und Tänzern erlaubt, an den Turnieren des anderen Verbandes teilzunehmen.
Der nationale Tanzlehrerverband der Schweiz, swissdance, ist Mitglied im WDC. Da sich der STSV auf den Amateur-Turniersport und swissdance auf die Tanzlehrer konzentrieren, kommen die beiden Verbände auf nationaler Ebene miteinander aus.